Informationsreisen sind keine Ferienreisen vor allem nicht wenn die Zielländer auf der anderen Seite des Globus liegen. Von Tourismus keine Spur, im Gegenteil. Das Programm war eng getaktet, die Reisezeiten lang und die Erholungszeiten kurz. Doch die Anstrengungen haben sich gelohnt, denn der Austausch mit Wirtschaftsvertretern und Politikern war äusserst wertvoll.
Drehscheibe für Innovation und Fortschritt
Die beeindruckende Hochhausarchitektur in unserem ersten Zielland Singapur ist Ausdruck einer einzigartigen Entwicklung eines Landes, das innerhalb von 50 Jahren zu einem der fortschrittlichsten und innovativsten Staaten der Welt wurde. Singapur mit seinen rund 5,9 Millionen Einwohnern ist mit Abstand der grösste Handelspartner und der wichtigste Investitionsstandort der Schweiz in Südostasien. Rund 400 Schweizer Unternehmen sind vor Ort präsent. Zum grossen Teil sind sie schon weit länger dort als die diplomatischen Beziehungen bestehen, die es seit 1967 gibt. Das Verhältnis der beiden Länder geht aber weit über das Notwendige hinaus. So meinte etwa Aussen- und Sicherheitsminister Mohamad Maliki Bin Osmanmit, dass Singapur sich bei vielen Themen die Schweiz als Vorbild genommen habe. Der südostasiatische Stadtstaat hat sich in den letzten Jahren zum einem globalen Innovationsmotor gemausert. Die innenpolitischen Prioritäten sind klar gesetzt: Es geht in erster Linie um den Erhalt und den Ausbau der wirtschaftlichen Wettbewerbsfähigkeit, welche durch die Förderung von Bildung und Forschung zementiert wird. Inzwischen geniesst die Bevölkerung einen hohen Lebensstandard. Dies erfordert eine klare Verkehrspolitik in der Millionenstadt: Das Roadpricing ist längst eingeführt, Fahrzeugbewilligungen sind limitiert und nur zehn Jahre gültig, was zu einer markanten Eindämmung des motorisierten Individualverkehrs führte. Im Gegenzug wurde der öffentliche Verkehr stark ausgebaut. Viele öffentliche Parkanlagen und ein sozialer Wohnungsbau runden das Bild einer Gesellschaft in Wohlstand ab. Kriminalität in jeder Form, insbesondere Terrorismus, Korruption und Drogenmissbrauch werden in Singapur mit harter Hand bekämpft.
Die Schweiz und Singapur pflegen enge Beziehungen
Singapur ist wirtschaftspolitisch sehr weltoffen und verfolgt eine Politik mit bilateralen und multilateralen Freihandelsabkommen. Die Beziehungen der Finanzplätze der Schweiz und Singapur sind besonders eng aber auch im Bereich der Forschung pflegen die beiden Länder eine intensive Zusammenarbeit. Das bestätigte ein Besuch im „Singapore-ETH Centre for Global Environmental Sustainability“, welches 2010 von der EHT Zürich gemeinsam mit Singapurs National Research Foundation gegründet wurde und als intellektueller Dreh- und Angelpunkt für Forschung Schweizer Studenten die Möglichkeit für einen Austausch bietet. Diese wissenschaftliche Zusammenarbeit stärkt die Forschungskapazitäten von Singapur und der Schweiz, um ökologisch nachhaltige Lösungen für globale Herausforderungen zu finden. Gegenwärtig sind etwa 180 Mitarbeitende im Zentrum aktiv.
Schweizer Klub in Singapur
Wenn es einen Beweis für die lange und intensive Beziehung zwischen der Schweiz und Singapur bräuchte: Ein besseres Beispiel als den Schweizer Klub gäbe es mit Bestimmtheit nicht. Der Klub wurde 1871 von Otto Alder als „Swiss Rifle Association of Singapur“ gegründet und ist einer der ältesten Klubs des Stadtstaates. Das Grundstück des Schweizer Klubs umfasst heute insgesamt 174`000 m2. Damit ist der Schweizer Klub hinter dem Staat der zweitgrösste Landbesitzer in Singapur. Auf dem Gelände befinden sich nicht nur das Klubhaus und die Sportanlagen, sondern auch die Schweizer Schule sowie der deutsche, der niederländische, der koreanische wie auch der Britische Klub sowie das „Institut of Engineers“. Der traditionsreiche Schweizer Klub fördert ein aktives gesellschaftliches Leben und hat ungefähr 1200 Mitglieder aus aller Welt. Gut 20 Prozent der Mitglieder sind Schweizer.
Es gibt auch Nachholbedarf
Erfolg und Wohlstand dürfen aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass in Singapur nicht alles zum Besten bestellt ist. Grosser Nachholbedarf besteht beispielsweise im Bereich der Menschenrechte. Die freie Meinungsäusserung und die Pressefreiheit sind zwar in der Verfassung gewährleistet. Die politischen Rechte, insbesondere die Versammlungs-, Rede- und Medienfreiheit sind aber eingeschränkt. Seit der Staatsgründung im Jahre 1965 ist Singapur weder Mitglied des Menschenrechtsrates noch der Menschenrechtskommission gewesen. Noch immer gilt die Todesstrafe, auch Prügelstrafen werden angewendet. Allein im Jahr 2016 wurden 1257 Personen zu Körperstrafen verurteilt.
Kiwis in Zeiten des Wandels
Über 7000 Schweizerinnen und Schweizer leben in Neuseeland. Die diplomatischen Beziehungen der Schweiz mit Neuseeland bestehen seit 1963. Die Politik des Landes basiert auf den drei Säulen Geographie, Geschichte und das Selbstverständnis eines Kleinstaates. Die geographischen Fakten sind die extreme Randlage und die Nachbarschaft zur grossen Schwester Australien aber auch zu den pazifischen Mikrostaaten, welche teilweise ehemalige Kolonien und Mandatsgebiete des Landes sind wie auch zu Ostasien. Die wirtschaftlichen Interessen sind eng mit der Geographie verknüpft. Die wichtigsten Märkte der Agrarexportnation liegen in Ostasien, Australien und den USA. Neuseeland hat in den letzten Jahren die Landwirtschaft von Schaf- auf Milchwirtschaft umgestellt. Die Milch wird zu Milchpulver verarbeitet und profitabel nach China verkauft. Durch diese Umstellung kommt die Umwelt stark unter Druck. Vor allem wegen der CO2-Belastung sowie der grossen Mengen von Jauche in den Gewässern besteht dringender Handlungsbedarf für die Regierung. Neuseeland ist mit seinen knapp fünf Millionen Einwohnern ein ausgesprochener Kleinstaat auch wenn dies flächenmässig nicht unbedingt der Fall ist. Wie die Schweiz setzt das Land aber aufgrund seines Selbstverständnisses auf das Recht und auf die multilaterale Zusammenarbeit. 2015 und 2016 gehörte das Land bereits zum vierten Mal dem Sicherheitsrat der UNO an.
Working-Holiday für die Jugend
Die Gespräche mit dem Präsidenten des neuseeländischen Repräsentantenhauses, Trevor Mallard, mit dem stellvertretenden Premierminister, Winston Peterson, sowie dem Unterstaatssekretär im Aussenministerium, Fletcher Tabuteau, waren sehr aufschlussreich. Dabei kam der Wunsch zum Ausdruck, dass Neuseeland mit der Schweiz und anderen europäischen Staaten ein sogenanntes „Working Holiday Agreement“ abschliessen möchte, das jungen Menschen erlauben soll, ohne grosse bürokratische Hürden für beschränkte Zeit zu arbeiten. Die Schweiz kann vor allem wegen der Gleichbehandlung anderer Länder nicht auf diesen Wunsch eintreten. Es gibt aber sicher Spielraum, um mit geeigneten Massnahmen Lösungen zu finden.
Australien ist mehr als Kängurus
Flächenmässig ist unsere dritte Destination Australien zwar um einiges grösser als Europa, bevölkerungsmässig sieht das aber ganz anders aus: Während in Europa über 500 Millionen Menschen leben, sind es im Land der Kängurus gerade mal 22.5 Millionen. Rund 25‘000 davon sind Auslandschweizer. Die ehemalige englische Kolonie pflegt auch seit der Unabhängigkeit nach wie vor eine enge Beziehung zu Grossbritannien. Bei unseren Aufenthalten in Sydney, Canberra und Melbourne, haben wir Vertreter aus Parlament und Wirtschaft getroffen. Dabei standen das Freihandelsnetz, die Sicherheitspolitik sowie die Einwanderungs- und Flüchtlingspolitik im Zentrum. Die Gespräche haben gezeigt, welch bedeutende Rolle China in dieser Region spielt. Amerika verliert unter der Präsidentschaft von Donald Trump zunehmend an Einfluss, obwohl die wirtschaftlichen und sicherheitspolitischen Interessen immer noch ausgeprägt sind. Besonders deutlich wurde dies an einem Mittagessen mit Botschafter Cheng Jingye, der die chinesischen Interessen in Australien vertritt. Das Gespräch war sehr aufschlussreich und zeigte, wie gross der chinesische Einfluss in Australien ist. Die australischen Vertreter unterstrichen immer wieder, dass sie mit der Zusammenarbeit mit China sehr zufrieden sind. China sei ein strategischer Handelspartner, mit welchem ein respektvoller Umgang gepflegt werde. Beim Besuch des „Lowy Institute“ in Sydney, haben wir uns mit Akademikern über die dynamische Entwicklung im Indo-Pazifik-Raum sowie die Entwicklung des Freihandels unterhalten. Aus den Gesprächen mit Schweizer Unternehmern vor Ort wurde klar, dass die australische Bürokratie enorme Kosten produziert. Ein bedauerlicher Mangel besteht meiner Ansicht darin, dass der institutionalisierte Dialog zwischen Politik und Wirtschaft, wie wir ihn bei uns kennen, nicht gepflegt wird.
Harte Migrationspolitik in Australien
Der kurze Aufenthalt in Australien zeigte deutlich, wie sehr die australische Gesellschaft von Einwandern geprägt ist. Dennoch fährt Australien eine harte Migrationsstrategie, ganz nach dem Motto: „Migration isn`t open for everybody“. Australien richtet seine Einwanderungspolitik ganz nach der Devise aus, gut ist, was dem Lande nützt. Aus diesem Grund will die Regierung Qualität statt Quantität. Deshalb wird die Einwanderung über eine Vielfalt von Visa-Typen gesteuert. Diese fallen hauptsächlich in zwei Arten von Kontingenten: In ein Migrationsprogramm und in ein humanitäres Programm. Im Rahmen des Migrationsprogramms wanderten 2016-2017 gegen 190`000 Menschen ein. Sie kamen vornehmlich aus Indien (21 Prozent), aus China (15 Prozent) und aus Grossbritannien (9 Prozent). Aus humanitären Gründen wurden in den vergangenen zwei Jahren rund 16`000 Menschen aufgenommen. Derzeit plant Australien mit der Vergabe von 18`750 Visa die umfangreichste humanitäre Aufnahme seit 30 Jahren. Priorität haben Flüchtlinge aus dem Nahen Osten, Asien und Afrika. Ein spezielles Kontingent ist für Kinder reserviert. Betreffend der illegalen Einwanderung wird eine strikte Handhabung angewendet. Wer versucht, illegal auf einem Boot Australiens Küste zu erreichen, dem darf eine Niederlassung in Australien niemals ermöglicht werden. Das reiche, dünn besiedelte Land mit 25`000 km Meeresküste will die Einwanderung langfristig vollkommen unter eigener Kontrolle behalten. Die Regierung arbeitet regelmässig daran, das Vertrauen der Bevölkerung in die Entschlossenheit und Wirksamkeit der Abschreckungspolitik „gegen die Menschenschmuggler“ zu bewahren. Um seine Abschreckungspolitik umzusetzen, hat Australien auf Booten aufgegriffene Flüchtlinge nach Papua Neuguinea (Insel Manus) und dem kleinen Inselstaat Nauru verfrachtet. Natürlich ist dieses Vorgehen nicht unumstritten. Unsere Gesprächspartner haben uns gegenüber jedoch immer betont, dass die Migration dank diesem Vorgehen im Griff sei.
Vielfältige Wirtschaft
In Australien haben sich zahlreiche Schweizer Unternehmen erfolgreich angesiedelt. Neben den bekannten Pharma-Unternehmen wie Roche und Novartis tragen auch UBS, Lindt und Sprüngli, Pilatus, ABB, Fracht Logistics Zurich sowie die RUAG zur wirtschaftlichen Entwicklung des Landes und der Region bei. Vor allem die Betriebsbesichtigung der RUAG in der Nähe von Melbourne, wo Ersatzteile produziert und damit der Wartungsauftrag der FA-35 Jets erfüllt wird, hat gezeigt, dass der Markt Potenzial hat. Beeindruckt hat mich, dass Australien, trotz harter Migrationspolitik, jährlich ein wirtschaftliches Wachstum vorweist. Dies zeigt, dass das Wirtschaftswachstum nicht nur über mehr Menschen definiert werden darf.
Mein Fazit
Die Gespräche in Singapur, Neuseeland und Australien haben uns in aller Deutlichkeit vor Augen geführt wie sehr diese Region im Spannungsfeld zwischen den USA und China steht, die als zentrale Akteure agieren. Deshalb sind die Länder im asiatisch pazifischen Raum in den kommenden Jahren besonders gefordert, wenn sie ihre Souveränität erhalten wollen. Dazu kommt nach dem Austritt Grossbritanniens aus der EU für die ehemaligen Kolonien Australien und Neuseeland eine wirtschaftliche Herausforderung. Nach dem Brexit sind beide Länder dringend auf neue Freihandelsabkommen angewiesen.
Die zahlreichen Gespräche haben mir aber auch gezeigt, dass die Schweiz in allen drei Ländern einen ausgezeichneten Ruf geniesst. Obwohl die Distanz gross ist und die Zeitverschiebung erheblich, tun wir gut daran, den Austausch mit dieser Region weiterhin aktiv zu pflegen. Bilaterale Gespräche auf allen Stufen sind von grosser Bedeutung, damit neue Perspektiven entstehen können.
Mitglieder der Delegation:
Filippo Lombardi (Präsident), Daniel Jositsch, Thomas Minder, Damian Müller, Philipp Müller und Myriam Bertsch (Sekretariat APK).
Damian Müller, Ständerat FDP, Hitzkirch